Fallstudien finden häufig Anwendung in Assessment Centern. Oft muss der Bewerber eine knifflige, meist auf den ersten Blick unlösbar erscheinende, Aufgabe versuchen zu lösen. Diese Problemlösung geschieht unter Zeitdruck, um schnelle Entscheidungen zu provozieren. Auch Schätzfragen oder Aufgaben, bei denen Logik, Kreativität oder Schnelligkeit nötig sind, werden gern verwendet. Sei dies alles noch nicht genug, wird die Situation zusätzlich durch fehlende Informationen erschwert. In der Regel werden Case Studies allein gelöst, seltener in einer Gruppe. Aufgabenkomplexität und Bearbeitungsdauer sind nicht offiziell vorgeschrieben, die Unternehmen geben aber realistische zeitliche Begrenzungen, in denen man definitiv einen Lösungsansatz erarbeiten kann. Bei einer Gruppenaufgabe können die Personaler zusätzlich die Teamfähigkeit beobachten, was natürlich eine äußerst wichtige Fähigkeit ist. Das Ergebnis bzw. der Lösungsansatz wird entweder schriftlich oder mündlich präsentiert.
Was soll in der Fallstudie getestet werden?
Eine Case Study hilft den Personalern die Bewerber hinsichtlich ihrer fachlichen Kenntnisse und ihrer Soft Skills einzuschätzen. Häufig werden die Bewerber mit Aufgaben und Problemen konfrontiert, die im Berufsalltag sehr wahrscheinlich auch auftreten werden. So wird schnell klar, ob die Person dieser Situation gewachsen ist oder nicht. Neben spezifischen jobrelevanten Fähigkeiten werden bei Case Studies im Allgemeinen folgende Aspekte überprüft:
- Stressresistenz
- Konzentrationsfähigkeit
- logisches Denken
- Kreativität
- strukturiertes Arbeiten
- Fähigkeit, sich in komplexe Sachverhalte schnell einzuarbeiten
- unternehmerisches Denken
Arten von Fallstudien & Case Studies mit Beispielen
Es gibt verschiedene Arten von Case Studies. Je nachdem, welche Fähigkeiten überprüft werden sollen, erscheinen die Aufgaben im ersten Moment unlösbar. Doch darum geht es auch gar nicht. Man soll zeigen, dass man sich dieser Aufgabe annimmt und einen Lösungsansatz in der vorgegebenen Zeit findet. Niemand erwartet ein korrektes, rundes Ergebnis.
Business Cases
Die Business Cases sind die häufigsten Fallstudien, mit denen man in Bewerbungsprozessen konfrontiert wird. Sie stellen ein Problem dar, welches tatsächlich so im Arbeitsalltag auftreten könnte. Hier werden einerseits Fachkenntnisse für den Beruf, auf den man sich beworben hat, abgefragt und andererseits, ob man in der Lage ist, direkt im Sinne des Unternehmens zu denken und danach zu handeln. Je nach Arbeitsbereich unterscheiden sich die konkreten Fragen natürlich, sind jedoch immer sehr betriebswirtschaftlich.
- Im Marketing beispielsweise soll bewertet werden, ob der Markt für ein potenzielles neues Produkt des Unternehmens attraktiv ist und wie die Markteinführung am besten glücken könnte.
- Im Controlling dagegen werden eher Fragen behandelt, die sich auf die Gewinnsteigerung des Unternehmens beziehen.
- Für Trainee-Stellen im Management werden besonders auch die Leadership-Skills abgefragt, indem Fusionen oder Übernahmen anderer kleinerer Unternehmen bewertet werden sollen.
Insgesamt wird jedoch nicht nur der Lösungsansatz bewertet, sondern auch, wie man diesen präsentiert. Wie überzeugend kann man argumentieren? Wie schlüssig ist die Argumentation? Dabei sind lautes Denken oder auch clevere Rückfragen an die Interviewer sogar erwünscht.
Brainteaser
Brainteaser kann man unter dem Begriff „Knobelaufgaben“ subsummieren. Hier geht es nicht darum, ein korrektes, „schönes“ Ergebnis zu präsentieren, sondern darum, wie man mit der Problemstellung umgeht und welchen Lösungsansatz man nach der Zeit präsentieren kann. Bei solchen Aufgaben werden besonders deine analytischen Fähigkeiten abgefragt. Es wird erwartet, dass man sich in den Sachverhalt hineindenkt und nicht direkt abblockt, auch wenn die Aufgabe für den gesteckten Zeitrahmen unmöglich zu lösen erscheint. Auch hier ist lautes Denken erwünscht. Typische Fragen bzw. Problemstellungen könnten folgendermaßen aussehen:
- Wie schwer ist Berlin? – Klar, das genaue Ergebnis zu errechnen, ist unmöglich. Daher versucht man sich der Antwort anzunähern. Mögliche Überlegungen könnten sein: Wie viele Menschen wohnen in Berlin? Wie viele Gebäude/Straßen hat die Stadt schätzungsweise? Wie schwer sind verschiedene Baumaterialien?
- Erklären Sie einem Blinden die Farbe Lila! – Hier könnte man sich durch das Schließen der Augen vergegenwärtigen, wie sich ein Blinder fühlt. Man könnte damit beginnen, der Person Fragen zu stellen. Kennt er/sie bestimmte Farben? Kann er/sie Farben unterscheiden? Wenn ja, wie unterscheiden sich die einzelnen Farben? Hier ist es wichtig, dass man am Ball bleibt und nicht frustriert, wenn die Antworten nicht so ausfallen, wie man es sich erhofft hatte.
Marktgrößeneinschätzungen
Martkgrößeneinschätzungen haben ebenso wie Brainteaser nicht den Anspruch, dass man ein genaues Ergebnis präsentieren kann. Man muss Vermutungen über Zielgruppen anstellen, die gegebenenfalls im Laufe der Zeit korrigiert werden müssen. Also auch hier: Lautes Denken ist nur förderlich. Die Interviewer wollen verstehen, welche Gedankengänge man hat. Eventuell muss man auch ein paar Dinge ausrechnen. Daher sollte man sich nicht scheuen und nach Stift und Zettel fragen, bevor man alles im Kopf versucht zu lösen.
Typische Aufgabenstellungen sehen so aus:
- Wie schätzen Sie das Marktvolumen von Babynahrung in Deutschland ein? – Erste Überlegungen sollten sich mit der geschätzten Anzahl der geborenen Babys pro Jahr in Deutschland sein. Ist der Trend steigend oder rückläufig? Wie viel Prozent der Mütter stillen? Bis wann bekommen Kinder ausschließlich Babynahrung? Wie viel Nahrung benötigt ein Kind am Tag? Um das Problem etwas einzugrenzen, kann man durchaus die Gruppe begrenzen, sprich: Alle Babys von der Geburt an bis zum 2. Lebensjahr o.Ä.
- Wie hoch ist das Marktpotenzial von Rollatoren in China? – Welche Bevölkerungsgruppe ist betroffen? Wie groß ist diese? Was kostet ein Rollator? Wie hoch ist die Kaufkraft, das Wiederkaufverhalten und wie viel wird importiert?
Lösung einer Fallstudie im Assessment Center
Egal welche konkrete Case Study man bekommt, es geht nie darum, ein exaktes Ergebnis präsentieren zu können. In jedem Fall sollte man den Interviewern Einblick in die eigenen Gedanken gewähren. So können diese besser nachvollziehen, wie man zu dem Lösungsansatz gekommen ist. Wenn nicht schon vorhanden, kann man ruhig nach Stift und Zettel bei den Interviewern fragen, damit man seine Gedanken und Argumente schriftlich festhalten kann. Auch diese Aufzeichnungen können für die Interviewer sehr interessant sein.
Die anschließende Ergebnispräsentation ist genauso wichtig, wie die Problemlösestrategien, die man zuvor nutzt. Hier geht es darum, dass man selbstbewusst und schlüssig argumentieren kann, obwohl man kein komplettes, perfektes Ergebnis vorzuweisen hat. Clevere Rückfragen sind ebenso erlaubt wie Vermutungen anstellen. Letztere müssen nur logisch begründet sein. Neben dem Erkennen von Zusammenhängen, dem Analysieren der Aufgabe und dem Problemlösen werden auch Fachkenntnisse für den jeweiligen Beruf abverlangt. Diese sollte man sicher wissen und nicht nur Annahmen treffen.
Vorbereitung auf die Fallstudie
Auch wenn man nicht die konkrete Aufgabe erst im Gespräch erhält, kann man sich dennoch auf Case Studies vorbereiten. In jedem Fall sollte man noch einmal das spezifische Fachwissen auffrischen. Typische Modelle oder Erkenntnisse aus dem Studium bzw. der Forschung zu einem Bereich, der auch im späteren Job von Relevanz sein wird, sollten einem präsent sein. Ebenso sollte man sich in der jeweiligen Branche gut auskennen. Aktuelle Entwicklungen oder auch Herausforderungen der Branche sind wichtig. Man sollte also up-to-date in die Case Study gehen. Darüber hinaus kann man sich im Vorfeld im Internet Beispiele für Case Studies suchen und diese bereits gedanklich durchspielen. So schult man sein logisches und analytisches Denken und geht wahrscheinlich entspannter in das Assessment Center hinein. Man macht sich mit dem Aufgabentyp der Case Study vertraut. Dies kann nur von Vorteil sein.
Ebenso sollte man noch ein paar andere Fähigkeiten im Vorfeld üben wie zum Beispiel das schriftliche Rechnen. Besonders Bruch-Rechnung, Multiplikation und Division sind auf dem Taschenrechner schnell erledigt, schriftlich dagegen etwas knifflig, wenn man dies nicht tagtäglich macht. Aber auch Kopfrechnen sollte man trainieren, wenn man darin kein absolutes Ass ist. Insgesamt wird man so viel entspannter an die Aufgabe herangehen, was mit Sicherheit bei nicht allen Bewerbern so sein wird, womit man wiederum im Gedächtnis bleibt. Also: Gut vorbereiten und im Assessment Center strukturiert und ruhig an die Aufgabe herangehen!
Do’s and Don’ts beim Bearbeiten einer Fallstudie
Do’s | Don’ts |
Ruhe bewahren und offen für die Aufgabe sein | Panik, unüberlegtes Handeln |
Problem analysieren und relevante Informationen sicherstellen | Unwichtiges und Kleinigkeiten zu intensiv bearbeiten |
Strukturieren, Teilprobleme herausarbeiten | Alles auf einmal lösen wollen |
Lautes Denken / Lösungsschritte verbalisieren | Schweigen / Nicht erklären, was man tut |
Rückfragen stellen (möglichst clever) | Detaillierte Fragen stellen, deren Antwort eigentlich ungefähr bekannt sein sollte (Beispiel: Wie viele Menschen leben denn in Deutschland?) |
Nach Stift und Zettel verlangen (wenn nicht schon vorhanden) | Alles im Kopf behalten / keine Einblicke gewähren |
Stichpunkte aufschreiben, Visualisieren, schriftliches Rechnen | Alles im Kopf rechnen wollen, dabei womöglich Fehler machen & in Ausreden flüchten („Rechnen ist nicht so mein Ding“) |
Mehrere Lösungsansätze? – Super! Thematisieren und ausdiskutieren | Nachdem ein Lösungsansatz gefunden wurde, aufhören und nicht weiter denken |
Sinnvolle Zeiteinteilung | Zu starker Fokus auf Nichtigkeiten |
Klare Argumentation / Begründung von Entscheidungen oder Annahmen | Unschlüssige Argumentation, Dinge ohne Erklärung voraussetzen |
Entspannt aufnehmen, wenn man einmal völlig danebenlag, nach Denkfehler fragen & sich nicht entmutigen lassen | Frustriert nicht weitermachen und Ausreden suchen bzw. „Schuld“ von sich weisen |
In unserem Kurs kannst Du dich natürlich auf das Thema Fallstudie vorbereiten.