Verhaltensfragen werden im Bewerbungsgespräch immer beliebter. Darunter fallen alle Fragen, in denen es um Dein Verhalten in bestimmten Situationen geht. Daraus kann der Recruiter sehr gut auf Deine Arbeitsweise schließen und auch andere Faktoren wie Stressresistenz oder analytische Fähigkeiten einschätzen. Besonders interessant ist bei den Verhaltensfragen auch die Art, wie Du antwortest. Das ist bei professionell geführten und ausgewerteten Interviews sogar wichtiger, als der Inhalt Deiner Antwort.
Eine Verhaltensfrage besteht aus einer abstrakten Situation, und Deiner Aktion oder Reaktion darin. Meist wirst Du nach einem konkreten Beispiel aus Deinem bisherigen Werdegang gefragt. Hier gilt es, die Situation der Frage auf Deine Erfahrung zu übertragen und darzulegen, wie Du im Beispiel und damit der abgefragten Situation vorgegangen bist.
Für die Beantwortung einer situativen Frage folgst Du der Struktur Ziele, Methoden und Ergebnisse am Beispiel aus Deinem Leben. Zunächst beschreibst Du kurz und knapp (zwei bis drei Sätze) die Situation und gehst darauf ein, was Deine Intention oder Motivation Du in der Situation hattest, also welches Ziel Du verfolgt hast, und ggf. welche Probleme dabei auftraten.
Danach beschreibst Du den Lösungsweg, für den Du Dich entschieden hast (Methode). Das können z.B. klärende Gespräche, eine Eskalation an eine höhere Ebene, eine pragmatische Lösung des Problems, die Koordination verschiedener Interessensgruppen o.ä. sein. Abschließend nennst Du das mit Hilfe Deines Lösungsweges erreichte Ergebnis.
Der Aufbau Deiner Antwort im Schema Ziele, Methoden und Ergebnisse ist effektiv, weil Du auf diesem Wege neben der spezifischen Vorgehensweise, von der Du berichtest, auch eine ergebnisorientierte Arbeitsweise (Ziele & Ergebnisse) und strukturiertes Arbeiten unter Beweis stellst. Außerdem hilft Dir die Struktur, auch unbekannte Verhaltensfragen schnell, kompetent und logisch aufgebaut zu beantworten.
Verhaltensfragen sind meist sehr offen gestellt. In der einfachsten (aber anspruchsvollsten) Form lauten Sie z.B.: „Erzählen Sie mir von einer Situation, in der Sie…“. Aus der Frage selbst kannst Du nicht erkennen, welche Information den Recruiter tatsächlich interessiert. Er fragt nicht konkret: „Was war die Schwierigkeit?“ oder „Was haben Sie gemacht?“. Bei dieser offenen Frageform erwartet der Recruiter, dass Du Dir selbst eine Struktur (z.B. Ziele, Methoden, Ergebnisse) gibst, anhand derer Du Deine Antwort ausrichtest. Eine gute Antwort ist auch ohne Hilfestellung strukturiert, hat einen Bezug zur Arbeit und bezieht sich auf ein Beispiel, in dem Du einen professionellen Lösungsansatz gewählt hast.
Während die sehr offene Frageform ein perfekter Einstieg ist, weil der Recruiter sieht, ob Du auch ohne Hinweis strukturiert antwortest, sind nachfolgende Fragen meist etwas konkreter: „Erzählen Sie mir von einer Situation, in der Sie… Welches Ziel haben Sie verfolgt und wie sind Sie vorgegangen?“ Die Beantwortung ist genau wie bei der offenen Variante, allerdings ist die Struktur hierbei schon vorgegeben und dient damit auch dazu, einen nicht besonders strukturiert antwortenden Kandidaten über die Fragestellung zu einer ergebnisorientierteren Darstellung zu bewegen. Wir starten gerne mit offenen Fragen, und fügen später konkretere an.
Beispiele für sehr offene Verhaltensfragen sind:
„Erzählen Sie mir von einem komplexen Projekt, das Sie betreut haben.“
„Nennen Sie mir eine Situation, in der Sie einen Kollegen von etwas überzeugen mussten.“
„Berichten Sie mir von einem Misserfolg, den Sie in einen Erfolg verwandeln konnten.“
Beispiele für konkretere Verhaltensfragen sind:
„Erzählen Sie mir von einer Situation, in der Sie an einen Punkt gekommen sind, an dem Sie nicht mehr weiterwussten. Wie sind Sie vorgegangen und was waren die Ergebnisse?“
„Berichten Sie mir von einer Situation, in der Sie ein großes Projekt innerhalb einer sehr kurzen Deadline fertigstellen mussten. Was waren die Herausforderungen und wie sind Sie vorgegangen?“
Eine Antwort könnte lauten („Erzählen Sie mir von einem komplexen Projekt, das Sie betreut haben.“): „Während meines Praktikums bei der HighTech AG habe ich an einem Automatisierungsprozess für Hebebühnen gearbeitet. Ziel war es, eine neue Produktgeneration von Hebebühnen mit einer einfacheren Bedienungsoberfläche auszustatten. Ich musste dabei die unterschiedlichen Abteilungen Maschinenbau, Design und Automatisierung unter einen Hut bringen. Ich habe zunächst Einzelgespräche mit allen beteiligten Bereichen geführt, wie z.B. den Mechatronikern, Ingenieuren und Programmierern. Das hat mir geholfen, die einzelnen Sichtweisen und Prozesse zu verstehen. Daraufhin habe ich bestehende, aber auch potentielle Konfliktfelder herausgearbeitet und in einem gemeinsamen Meeting aller Abteilungen aufgezeigt. 80% konnten wir direkt gemeinsam lösen, und für 20% der Punkte haben wir interdisziplinäre Projektteams gebildet und Actions und Deadlines definiert. Nach gut 6 Wochen waren alle Konflikte beseitigt und die neue Steuerungstechnik der Hebebühnen installiert. Das Feedback der Kunden wenige Wochen später war ausgezeichnet, da der Bedienungsprozess deutlich vereinfacht wurde.“
Mehr Informationen zu typischen Bewerbungsfragen bekommst Du hier: